In den letzten Wochen waren Tausende Traktoren in Holland und später auch in Deutschland auf den Straßen und in den Städten zu Protestaktionen unterwegs. Auslöser dafür waren Umweltprogramme und Insekten- und Bienenschutzmaßnahmen, die eine Extensivierung der Landwirtschaft nach sich ziehen. In Holland war sogar davon die Rede, dass die Tierbestände um 50 % reduziert werden müssen, um das Grundwasser und die Flora und Fauna zu schützen. Dies hatte in Holland zu Straßensperren und Verwüstungen durch aufgebrachte Bauern mit ihren Traktoren geführt. Kurz darauf hat sich über die sozialen Netzwerke in Deutschland die Gruppe „Land schafft Verbindung“ gegründet und auch Tausende Bäuerinnen und Bauern zu Traktoraktionen motiviert. Es war für viele überraschend, welche Breite die Bewegung sehr schnell bekam. Mit tausenden Traktoren wurden in mehreren Städten eindrucksvolle Veranstaltungen durchgeführt. Die Wut, Verzweiflung und Frustration im Bauernstand war deutlich spürbar. Doch was sind die Gründe und wofür kämpfen diese neuen Bewegungen?
Bauern und Bäuerinnen fühlen sich immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Man spürt jeden Tag, dass man am sozialen Leben immer weniger teilnehmen kann, weil man gefühlt ständig dazu gezwungen ist, mehr zu produzieren und damit mehr zu arbeiten. Die Entwertung der bäuerlichen Produkte frustriert zusehends und die Erkenntnis, dass der Preis schneller fällt und die Kosten rascher steigen als man mehr produzieren kann, fühlt sich an wie eine Sackgasse. Zudem gibt es keinen vernünftigen Dialog mit den KonsumentInnen und den Umweltverbänden. Zu lange haben wir tatenlos zugesehen, wie wir allen weismachten, dass es möglich ist, höchste Qualität zum billigsten Preis im Einklang mit der Natur zu produzieren. Es wäre zu einfach die Schuld immer bei den anderen zu suchen. Wir sind Opfer dieser Entwicklung, aber auch Mittäter.
Die Forderungen der neuen Gruppierungen sind unklar. Gehen diese eher in die Richtung: keine Einschränkungen bei der Düngung, Pflanzenschutz, Tierhaltung. So unter dem Motto, wir lassen uns von euch in der Stadt nicht anschaffen, wie wir an Land zu produzieren haben. Oft liest man auch die Slogans: „Wir machen eure Lebensmittel, wir sind die Ernährer des Volkes. Dafür möchten wir uneingeschränkt wirtschaften.“
Tatsache ist aber, dass die aktuelle Ausprägung der Landwirtschaft mitverantwortlich ist für Nitratanreicherung, Insektensterben, Pestizidrückstände und auch durch immer größere Tierbestände eine schlechtere Form der Tierhaltung. Wir ernähren nicht nur das Volk sondern exportieren in die ganze Welt und genau das ist die Ursache für die meisten negativen Erscheinungen. An einer Extensivierung der Landwirtschaft führt kein Weg vorbei. Egal ob auf dem Acker, der Wiese oder bei den Tieren, wir müssen wieder mit Vernunft und Hausverstand im Einklang mit der Natur Lebensmittel mit den vorhandenen Ressourcen produzieren. Dieser Wechsel kann nur stattfinden mit einem nationalen und konstruktiven Dialog, wo wir offen aufeinander zugehen und uns nicht die Verfehlungen der Vergangenheit an den Kopf werfen. Gemeinsam muss es gelingen, die größten Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Das sind der Klimawandel, die immer größere Kluft in der Gesellschaft, der ständige Bedeutungsverlust des Landes im Vergleich zur Stadt und die irreführende Kommunikation, wo die Basis nicht die Wahrheit sondern der Profit ist. Bevor noch mehr Porzellan zerschlagen wird, sollten wir in uns kehren und alte Muster aufbrechen. Die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel sind eine gute Zeit dafür.
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